Am Dienstag, dem 11.06.2013, fand auf Einladung des Kreisverbands Ammerland von Bündnis 90/ Die Grünen im Ohrweger Krug in Bad Zwischenahn eine Veranstaltung zum Thema „Landwirtschaft und Klimaschutz“ statt. Etwa 50 Gäste, darunter viele Landwirte, lauschten einem spannenden Vortrag der Tierärztin, Mediatorin und Lead-Autorin des Weltagrarberichtes, Frau Dr. Anita Idel. Ihr Vortrag trug den Titel ihres Buches: „Die Kuh ist kein Klima-Killer! – Wie die Agrarindustrie die Erde verwüstet und was wir dagegen tun können“.
Circa 40 Prozent der weltweiten Landfläche sind mit Grasland bedeckt. Gras wächst auf extrem kalten ebenso wie auf extrem trockenen Böden. Ob oberhalb der Baumgrenze, zu Beginn des Frühjahrs im noch lichten Wald oder nach Windbruch oder Holzeinschlag im Wald – Gras wächst als erstes, sowie Sonnenstrahlen die Erde berühren. Kühe, Schafe und andere Wiederkäuer sind prädestiniert zur Nutzung derjenigen Böden, die zu steinig, zu steil oder zu erosionsgefährdet sind, um beackert werden zu können, die aber beweidet werden sollten. Gras braucht die Graser als Wachstumsimpuls für die Bildung von Wurzelwerk. Da Humus (= überwiegend verrottete Wurzelmasse) zu über 50% aus Kohlenstoff der Atmosphäre besteht, bedeutet jeder Zuwachs an Humus eine Entlastung des Klimas.
„In der landwirtschaftlichen Ausbildung“, so Anita Idel, „genauso wie in Forschung und Lehre spielt die Bedeutung der Beweidung für die Produktivität des Graslandes fast keine Rolle. Über den Zusammen- hang zwischen Gras und Weidetieren ist dadurch viel zu wenig bekannt. Im nachhaltigen Weide- management schlummern verborgene Potentiale.“
Kühe und andere Wiederkäuer wandeln in ihrem Pansen in Symbiose mit Mikroorganismen Gras und Heu in Milch und Fleisch um. Erst durch die Fütterung mit Kraftfutter aus Mais, Soja und Getreide aus Monokulturen werden sie zu Nahrungskonkurrenten der Menschen gemacht. Milch und Fleisch aus Intensivproduktion sind nur scheinbar billig, da die Kosten der Folgen dieser Wirtschaftsweise für Umwelt und Klima nicht eingerechnet werden: die Verschmutzung von Gewässern und Böden mit Antibiotika-, Nitrat- und Pestizidrückständen, die Verluste an biologischer Vielfalt durch die Monokulturen, das Verdrängen der CO2-Speicher unter dem Grasland und dem (Regen-) Wald durch Futterflächen für die industrielle Massentierhaltung.
Zusätzlich verursachen die synthetischen Stickstoffdünger, die in der Intensivlandwirtschaft eingesetzt werden und bei deren Verwendung Lachgas, etwa 300mal klimaschädlicher als CO2, freigesetzt wird, die höchsten landwirtschaftlichen Emissionen.
Aber am Klimapranger steht nicht diese energieaufwändige Intensivlandwirtschaft, sondern die Kuh, weil sie Methan rülpst, 25mal klimaschädlicher als CO2.
„Autos stoßen weniger Emissionen aus als eine Kuh?“, fragte die Tierärztin augenzwinkernd und erklärte: „Das stimmt nur dann, wenn wir alles ausklammern, nur das Methan nicht. Autos und Kühe kann man eben nicht vergleichen. Richtig wäre es, nachhaltige und energieaufwändige Landwirtschaft miteinander zu vergleichen. Denn: Wer Kühe auf ihren Methanausstoß reduziert, ignoriert, dass sie bei nachhaltiger Weidehaltung dazu beitragen, die Bodenfruchtbarkeit zu erhöhen.“ Damit untrennbar verbunden sei das Potential des nachhaltigen Weidemanagements, mehr Kohlenstoff zu speichern als jede andere landwirtschaftliche Praxis.
„In der Diskussion um den Klimawandel gerät aus dem Blick“, so Frau Dr. Idel weiter, „dass nicht Klimagase an sich das Problem sind. Ohne Klimagase könnten Pflanzen, Tiere, Mikroorganismen und wir Menschen gar nicht leben. Das Problem ist das Zuviel – die seit Beginn der Industrialisierung durch unseren Verbrauch an fossiler Energie verursachte Zunahme von Klimagasen.“
Nachhaltige Landwirtschaft hat das Potential, Schäden zu minimieren sowie Erträge dauerhaft zu erhalten und auch zu erhöhen. „Wir können nicht so weiter machen wie bisher“, zitierte die Referentin das Fazit des Weltagrarberichtes, an dem sie mitgearbeitet hat. Zu den notwendigen Maßnahmen gehört die Reduzierung des Fleischverbrauchs insgesamt genauso wie die Reduzierung des Verbrauchs von synthetischem Stickstoffdünger. Kreisläufe – der Futteranbau auf eigenen Flächen, die nachhaltige Beweidung, das Düngen mit den Ausscheidungen der eigenen Tiere genauso wie kurze Wege zwischen Landwirten, verarbeitenden Betrieben und VerbraucherInnen – müssen (wieder-)hergestellt werden. Die Subventionen aus Brüssel sind notwendig und berechtigt für die landwirtschaftlichen Betriebe, vorausgesetzt, sie werden an ökologische Kriterien gekoppelt.
Aus dem Publikum wurde angemerkt, dass eine Veränderung in der landwirtschaftlichen Praxis nicht so einfach zu bewerkstelligen sei. Landwirte seien zur Sicherung ihres Lebensunterhaltes und bezüglich der Wirtschaftsweise und der Preisgestaltung für die hergestellten Lebensmittel gesellschaftlichen und finanziellen Zwängen ausgesetzt, die ihre Möglichkeiten, etwas zu ändern, sehr begrenzten. Frau Dr. Idel stimmte dem zu, forderte aber gleichzeitig zu dem Mut auf, die Dilemmata laut und mutig zu benennen. Sie verwies in dem Zusammenhang darauf, dass Anfang diesen Jahres bereits zum dritten Mal 20.000 Menschen aus der Landwirtschaft, der Politik, aus Verbraucher-, Tier- und Naturschutz unter dem Motto „Wir haben es satt“ gemeinsam für eine andere Agrarpolitik, für eine nachhaltige, bäuerliche Landwirtschaft und für fair und ökologisch hergestellte Lebensmittel demonstriert haben. „Das macht Mut. Und das macht den Weg frei für Veränderungen“, so Anita Idel. „Wir können auch anders. Und wir müssen anders!“
Im Anschluss an den Vortrag und die vielfältige Diskussion gingen die Gespräche noch in Kleingruppen weiter, während die Autorin Bücher signierte.
Sonja Wagner (für den Kreisvorstand der Ammerländer GRÜNEN)